Ich liebe einen Borderliner – was nun? Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine psychische Störung, die oft von instabilen Emotionen und Beziehungen begleitet wird. Wenn du jemanden liebst, der diese Störung hat, kann es eine Herausforderung sein, durch die Beziehung zu navigieren. In diesem Artikel werden wir uns mit einigen wichtigen Fragen beschäftigen, die du als Partner eines Borderliners haben könntest. Wir werden uns ansehen, was Borderline-Persönlichkeitsstörung ist, wie sie sich auf die Liebe auswirkt und wie du und dein Partner schwierige Phasen überstehen und die Beziehung aufrechterhalten können. Vieles von dem, was du hier lesen wirst, stammt aus dem im März 2023 kommenden Nachtgespräch-Buch „Borderline-Liebe. Handbuch für den nicht-erkrankten Partner“.

Was ist Borderline?

Borderline ist eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine komplexe psychische Erkrankung, die sich durch instabile Stimmungen, Beziehungen und Identität auszeichnet. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren und können in extremen Gefühlsschwankungen gefangen sein. Sie können sich von einem Moment zum nächsten unvermittelt von Freude zu Wut, Traurigkeit oder Angst hin- und herbewegen.

Eine besondere Herausforderung für Beziehungen stellt die Tatsache dar, dass Menschen mit Borderline oft intensive, aber instabile Beziehungen führen. Sie sehnen sich nach Liebe und Nähe, können jedoch gleichzeitig Schwierigkeiten haben, sich auf eine dauerhafte Beziehung einzulassen. Das kann für den nicht-erkrankten Partner sehr belastend sein, da er oft das Gefühl hat, dass er nicht weiß, woran er bei seinem Partner ist.

Es gibt vier Borderline-Typen, die jeweils ihre eigenen Charakteristika aufweisen. Der impulsiv-aggressive Borderliner neigt dazu, in Konfliktsituationen schnell zu explodieren und impulsiv zu handeln. Der depressive Borderliner ist häufig von intensiven Stimmungsschwankungen und negativen Gedanken geplagt, während der selbstschädigende Borderliner dazu neigt, sich selbst zu verletzen oder suizidale Gedanken zu haben. Der paranoide Borderliner hat oft Schwierigkeiten, Vertrauen in andere Menschen aufzubauen und vermutet häufig, dass andere ihm schaden wollen. In der Praxis finden sich dabei oft Mischtypen mit einem oder zwei dominanten Typen, aber Anteilen aller vier. Es ist auch nicht selten, dass ein Borderliner mit der Zeit seinen Typ wechselt.

Wie unterscheidet sich die Liebe bei einem Borderliner?

Menschen mit BPS können intensiv, aber wechselhaft lieben. Sie können schnell und stark Gefühle für ihren Partner entwickeln, aber auch schnell wieder abkühlen. Dieses Hin und Her kann für den Partner schwierig sein, der möglicherweise nicht weiß, wo er oder sie steht. Borderliner können auch dazu neigen, ihren Partner zu idealisieren und dann zu entwerten. Dies bedeutet, dass sie ihren Partner als perfekt und dann als unvollkommen oder fehlerhaft wahrnehmen oder sogar Gaslighting betreiben können.

Eine Beziehung mit einem Borderliner kann herausfordernd sein und zwischen Idealisieren und Gaslighting schwanken.

Eine Beziehung zu einem Borderliner kann sich daher deutlich von anderen Beziehungen unterscheiden. Die Wechselhaftigkeit zwischen intensiver Zu- und Abneigung, die Selbstkritik und vor allem das impulsive Handeln macht Borderliner streckenweise schwer vorhersehbar, was zu großen Herausforderungen für ihre Partner führen kann. Auch spontane Versuche, sich zu trennen, um den nicht-erkrankten Partner zu schützen, können mit der Zeit zu einer großen Geduldsprüfung für den Partner werden. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass Betroffene in Beziehungen impulsiv handeln oder mit unkontrollierten Wutanfällen reagieren.

Trotz all dieser Herausforderungen gibt es jedoch auch viele positive Aspekte in Beziehungen zu Menschen mit Borderline-Symptomen. Wenn eine Beziehung zu einem Borderliner gut funktioniert, kann sie von einer unglaublichen Intimität und gegenseitigen Wertschätzung geprägt sein. Betroffene sind oft sehr sensibel und einfühlsam, was sie zu großartigen Partnern machen kann. Es ist auch wichtig zu wissen, dass eine Beziehung mit einem Borderliner nicht zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Es gibt viele erfolgreiche Beziehungen zwischen Borderlinern und nicht-erkrankten Partnern, die durch offene Kommunikation, Verständnis und gegenseitige Unterstützung geprägt sind.

Wie übersteht man die schwierigen Phasen?

In einer Beziehung mit einem Borderliner können Schwierigkeiten auftreten, besonders wenn sie durch Stress oder Konflikte ausgelöst werden. Diese Schwierigkeiten entstehen jedoch nicht unbedingt aufgrund von Fehlern in der Beziehung oder aufgrund des Verhaltens eines Partners. Oft liegen sie in der Krankheit an sich begründet und die Idee, sie abzustellen, ist in etwa zu sinnvoll, wie mit einem Topfdeckel einen Vulkanausbruch zu verhindern versuchen. Es kann hilfreich sein, sich mit deinem Partner zu verbinden und ihm zuzuhören, um seine Emotionen zu verstehen. Während dieser Phasen ist es wichtig, ruhig und mitfühlend zu bleiben und zu vermeiden, in Streit oder Konflikt zu geraten.

Im Fall eines ausgewachsenen Streits kann es hilfreich sein, sich eine Auszeit zu nehmen, damit sich beide für ein paar Minuten beruhigen können. Das kann einen Ausbruch der Borderline verhindern, vermindern oder ins Leere laufen lassen. Auch bestimmte Kommunikationstechniken können dabei helfen, einen Konflikt zu beruhigen und einen Ausbruch zu überstehen. Zwei Beispiele dazu, die Dreipunkt-Kommunikation und die Spielball-Methode, finden sich weiter unten im Artikel.

Trennungsgedanken bei einem Borderliner ernst nehmen?

Besonders schwierig sind oft die Phasen, in denen der Borderliner aus einem Streit heraus oder sogar aus heiterem Himmel plötzlich die Trennung erklärt. Die Sensibilität dafür, zu erkennen, wann es sich wirklich um das Beziehungsende handelt und wann es nur ein Ausbruch der Krankheit ist, wird mit der Zeit antrainiert. Meistens sind Trennungen, die dazu dienen sollen, den nicht-erkrankten Partner zu schützen, nicht ernst, sondern eher ein Appell, den Borderliner bloß nicht gehen zu lassen.

Ambivalente Kommunikation ist typisch für BPS.

Die meisten schwierigen Phasen lassen sich darüberhinaus mit radikaler Akzeptanz bewältigen. Egal, was der Borderliner gerade tut, sagt, denkt, plant, schreibt, singt, grunzt oder irgendwie sonst kommuniziert, es wird radikal akzeptiert, dass das nun einmal Teil dieser Symptomatik ist und wenn der Anfall vorüber ist, wird er innerlich abgehakt. Der schwierige Teil daran ist meist, emotional verletzende Aussagen des Betroffenen einfach so zu vergessen. Hier kann es hilfreich sein, wenn beide gemeinsam eine ritualisierte Versöhnung einüben, die die seelischen Wunden heilt, weil man die gegenseitige Liebe erneut spürt und bestätigt.

Wie kann ich meinem Borderliner helfen?

Als Partner eines Borderliners ist es oft hilfreich, ein grundlegendes Verständnis für die Erkrankung zu entwickeln. Das kann durch das Lesen von Büchern, das Ansehen von Dokumentationen oder den Austausch mit anderen Menschen in ähnlichen Situationen erreicht werden. Eine professionelle Beratung oder Therapie kann ebenfalls eine wertvolle Unterstützung sein, um spezifische Techniken und Fähigkeiten zu erlernen, die in der Beziehung mit einem Borderliner hilfreich sein können. Ideal wäre, wenn beide jeweils eine Einzeltherapie machen – der Borderliner sowieso und du, um deine eigene mentale Gesundheit zu erhalten – und beide gemeinsam eine Paartherapie.

Eine konkrete Technik, die du anwenden kannst, ist das Setzen von klaren Grenzen. Das bedeutet, dass du deinem Partner klare Anweisungen gibst, was für dich akzeptabel ist und was nicht. Zum Beispiel kannst du erklären, dass du bei verbalen Attacken oder körperlicher Gewalt das Gespräch beenden oder den Raum verlassen wirst. Das Setzen von Grenzen kann deinem Partner helfen, sich besser zu kontrollieren und zu lernen, was angemessenes Verhalten ist. Ihr könnt dabei auch eine Warnstufe einführen, zum Beispiel eine Karte oder ein anderes Signal, das deinem Partner zeigt, dass er sich gefährlich nahe an der Grenze bewegt.

Aktives Zuhören: Die Königsklasse!

Eine weitere Technik ist das aktive Zuhören. Wenn dein Partner über seine Gefühle spricht, ist es wichtig, ihm deine volle Aufmerksamkeit zu schenken, ohne ihn zu unterbrechen oder zu urteilen. Du kannst ihm zeigen, dass du ihn verstanden hast, indem du seine Worte in eigenen Worten wiederholst. Das kann ihm helfen, sich gehört und verstanden zu fühlen und das Vertrauen in die Beziehung zu stärken. Fang nicht an, zu paraphrasieren, also einfach nur nachzuplappern, was dein Partner sagt. Sonst fühlt er sich schlicht und ergreifend verscheißert und wird nur noch wütender. Fasse den Kern der Aussage mit eigenen Worten zusammen und gebe das wieder. Das erlaubt deinem Partner, dich bei Bedarf zu korrigieren oder ihm wichtige Teile zu betonen.

Letztendlich ist es wichtig, dass du auch selbst auf deine eigene Gesundheit und dein eigenes Wohlbefinden achtest. Wenn du dich überfordert oder gestresst fühlst, solltest du dir Zeit für dich selbst nehmen und deine eigenen Bedürfnisse erfüllen. Das kann bedeuten, dass du Zeit allein verbringst, dich mit Freunden triffst oder deine eigenen Hobbys pflegst. Auch damit hilfst du deinem Partner, weil du emotionalen Schaden wieder heilen kannst, deine Batterien wieder auflädst und den Kopf frei bekommst. Außerdem habt ihr dann immer wieder etwas, über das ihr reden könnt. Zum Beispiel, wenn du die Dreipunkt-Kommunikation anwenden möchtest, um einen Ausbruch deines Partners zu steuern.

Wie kann ich mir selbst helfen?

Als Partner eines Menschen mit Borderline-Syndrom ist es von großer Bedeutung, auch auf die eigene psychische Gesundheit zu achten. In einer Beziehung mit einem Betroffenen kann es schnell passieren, dass man selbst in eine emotionale Achterbahn gerät und sich vernachlässigt oder sogar komplett aufopfert und dem Partner unterordnet. Daher ist es wichtig, regelmäßig Zeit für Selbstfürsorge und Entspannung zu finden, um sich selbst wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Hierbei kann es hilfreich sein, regelmäßig Sport zu treiben, sich mit Freunden zu treffen oder auch eine Entspannungstechnik wie Yoga oder Meditation zu erlernen.

Ist dein Borderliner beim Explodieren, bleibe ruhig.

Achte auch bei dir auf Veränderungen in deinem Erleben, Verhalten und deiner Persönlichkeit. Das Leben mit einem Borderliner kann auch bei dir zu neuen Krankheiten führen. Je früher solche behandelt werden, umso besser sind deine Heilungschancen. Wenn du anfängst, Symptome deines Partners zu übernehmen, kann deine eigene Therapie dabei auch ihm helfen. Entwickelst du zum Beispiel eine Depression wegen der depressiven Bestandteile deines Borderliners, kann die Therapie deiner eigenen Depression auch dabei helfen, die Symptome deines Partners zu verbessern.

Letztendlich ist es entscheidend, dass du als Partner deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen respektierst und auch kommunizierst. Grenzen zu setzen und auch mal „Nein“ zu sagen, ist wichtig, um die eigene Gesundheit zu schützen und eine gesunde Beziehung aufrechtzuerhalten. Und du solltest auch wissen, dass eine Beziehung mit einem Borderliner mit der Zeit ihren ganz eigenen Takt entwickelt. Das bedeutet, dass die Krankheit deines Partners sich an dich und an eure Beziehung anpasst. Schon allein dadurch, dass eure Beziehung über lange Zeit stabil bleibt, kann die Krankheit nahezu verschwinden. Hier lohnt sich Durchhaltevermögen und Geduld sehr. Denn was übrig bleibt, sind die intensiven Gefühle, die innige Liebe und die tiefe Intimität, was dir keine „normale“ Beziehung in diesem Ausmaß je bieten würde.

Wie funktioniert Dreipunkt-Kommunikation?

Dreipunkt-Kommunikation ist eine Form der Kommunikation, die in der Paartherapie oft eingesetzt wird, um Streitigkeiten und Konflikte zu lösen. Anstatt einer direkten Auseinandersetzung zwischen den Partnern wird ein dritter Punkt, beispielsweise ein Problem oder eine Herausforderung in der Beziehung, in den Fokus gestellt. Dies kann entweder eine konkrete Sache sein, über die gerade gestritten wird. Oder ein neutrales Ziel, auf das ein Ausbruch gelenkt werden kann.

Im ersten Fall könnte es zum Beispiel um eine nicht bezahlte Rechnung gehen. Angenommen, dein Borderliner hat vergessen, eine Rechnung zu bezahlen und eine Mahnung kam hereingeflattert. Zweipunkt-Kommunikation wäre jetzt, dass du deinem Partner das Versäumnis vorwirfst und ihr euch darüber und über noch 1.000 andere Sachen streitet. Die Rechnung ist irgendwann völlig unwichtig, der Streit geht dann nur noch um die Personen. Dreipunkt-Kommunikation hingegen wäre, wenn ihr beide gemeinsam eine Lösung findet, um in Zukunft solche Mahnungen zu vermeiden. Das kann ein Aufteilen der Rechnung sein oder einfach die Vereinbarung, dass du deinen Partner in Zukunft vor Ultimo noch einmal fragst, ob die Rechnung bezahlt ist. So habt ihr beide (1 und 2) nicht miteinander gestritten, sondern das Problem (3) gelöst.

Eine andere Variante kann sein, ein außenstehendes Ziel zu wählen, wenn dein Partner gerade einen Ausbruch hat und dich persönlich angreift. Nehmen wir mal an, ihr könnt euch vortrefflich über die Aktionen bestimmter lokaler oder nationaler Politiker aufregen. Wenn sich ein aggressiver Ausbruch anbahnt und dein Partner sich langsam auf dich einschießt, kannst du seine Aufmerksamkeit auf den jüngsten Blödsinn dieses Politikers lenken. So könnt ihr gemeinsam (1, 2) über seine (3) Dummheit schimpfen, bis der Ausbruch vorüber ist.

Meta-Kommunikation ist für Borderliner besonders wichtig.
Meta-Kommunikation: Redet darüber, wie ihr miteinander redet.

Wie kann ich die Spielball-Methode anwenden?

Eine weitere Kommunikationstechnik, die helfen kann, Konflikte in der Beziehung zu lösen, ist die Spielball-Methode. Dabei wird ein physischer oder vorgestellter Spielball genutzt, um das Rederecht zu übergeben. Jeder Partner hat die Möglichkeit, den Ball zu halten und seine Sichtweise und Gefühle zu einem bestimmten Thema auszudrücken. Der andere Partner hört zu, ohne zu unterbrechen oder zu widersprechen. Wenn der Partner fertig gesprochen hat, gibt er den Ball an den anderen Partner weiter, der dann seinerseits das Rederecht hat. Auf diese Weise wird vermieden, dass beide Partner gleichzeitig sprechen oder einander unterbrechen, was zu einem eskalierenden Konflikt führen kann.

Eine Zusatzregel kann mit der Zeit werden, dass jeder, wenn er den Spielball erhält, zunächst mit einem Satz die Aussagen des Partners zusammenfassen muss. Und in einem zweiten Satz muss er darauf eingehen, bevor er seinen eigenen Standpunkt zum besten gibt. So praktiziert ihr gleichzeitig aktives Zuhören und zwingt euch, den Standpunkt des Anderen wahrzunehmen und wertzuschätzen.

Wo finde ich weitere Informationen für Borderliner und mich?

Wenn du mehr über Borderline und Psychologie erfahren möchtest, empfehle ich dir den Tiktok-Kanal „Nachtgespräch„. Im März erscheint zudem „Borderline-Liebe. Handbuch für den nicht-erkrankten Partner“. In dem Buch werden verschiedene Aspekte der Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt. Dabei werden hilfreiche Strategien für den Umgang mit einem Borderliner-Partner vorgestellt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Online-Ressourcen und Selbsthilfegruppen für Menschen, die in einer Beziehung mit einem Borderliner sind.

2 Gedanken zu „Ich liebe einen Borderliner“

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